Vor 18 Jahren sollte ich einen Couchtisch entwerfen. Ich dachte mir, dass ich dazu eine meiner Arbeiten - es war ein rechtwinkliges Objekt, dessen obere Fläche ausgespart war - abändern könnte. Aber dadurch wurde die Arbeit wertlos, und heraus kam ein schlechter Tisch, den ich später weggeworfen habe. Formgebung und Maßstäbe aus der Kunst lassen sich eben auf Möbel oder Architektur nicht übertragen. Kunst hat ein anderes Anliegen als letztere; diese müssen funktional sein. Denn wenn ein Stuhl oder ein Gebäude nicht funktional sind, wenn sie nur als Kunst auftreten, sind sie lächerlich. Kunst heißt bei einem Stuhl nicht, dass er wie ein Kunstwerk aussieht, sondern vor allem, dass er als Stuhl vernünftig konstruiert ist, dass er zweckmäßig ist und die richtigen Maße hat. Das ergibt dann die Proportion, mit anderen Worten sichtbare Zweckmäßigkeit.
Kunst heißt bei der Kunst vor allem, dass man sein Anliegen vertritt, ohne auf andere Aspekte Rücksicht zu nehmen. Ein Kunstwerk genügt sich selbst; ein Stuhl genügt nur als Stuhl. Die Idee eines Stuhles ist noch kein Stuhl. Da aus Kunst keine Möbel entstehen können, unternahm ich ein paar Jahre lang keinen Versuch mehr in dieser Richtung. Ich habe mich jedoch immer für Architektur interessiert und machte weiterhin Skizzen.
Wenn jemand Kunst macht, Möbel baut und sich als Architekt betätigt, gibt es natürlich Ähnlichkeiten. Die unterschiedlichen Anliegen werden in formaler Hinsicht übereinstimmen. Wenn einer in der Kunst einfache Formen bevorzugt, wird er in der Architektur keine komplizierten wählen. Das Gegenteil von einfach ist übrigens kompliziert und nicht komplex, was beides beinhalten kann. Aber es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Kunst und Architektur. Möbeln und Architektur kann man sich nur als solchen nähern; man kann ihnen Kunst nicht aufzwingen. Aber wenn man ihre Eigenart, ihren Charakter ernsthaft berücksichtigt, entsteht Kunst, ja fast so etwas wie Kunst an sich.
Bei dem Tisch hatte ich den Fehler gemacht, etwas schaffen zu wollen, was so ungewöhnlich wäre, wie ein Kunstwerk meiner Ansicht nach sein sollte. Dahinter stand die Vorstellung, ein guter Stuhl sei nichts weiter als guter Stuhl, ein Stuhl lasse sich nur unwesentlich verbessern bzw. verändern, und etwas Neues könne nur unter unerhörten Anstrengungen zustandegebracht werden. Möbel wurden zu etwas Neuem für mich, je mehr ich einfach mit der Wirklichkeit umging. Ein guter Stuhl ist ein guter Stuhl. Aus den besonderen Gegebenheiten entstanden langsam allgemeine Formen, die keine reinen Ableitungen mehr waren. Heute kann ich einen Stuhl oder ein Gebäude machen, die eindeutig von mir sind, ohne dass ich die Formen aus meinen Kunstwerken abzuleiten versuche.
Ein paar Jahre später entwarf ich zwei Waschbecken für ein altes Haus, das ich in New York City gekauft hatte und für das ich noch vieles andere entworfen habe. Diese Waschbecken waren von Anfang an als solche konzipiert; es waren keine Abwandlungen; ich verwechselte sie nicht mit Kunst. Die Becken hatten die Form einer Ellipse; diese Form hatte ich, im Gegensatz zum Kreis, in der Kunst bisher nie verwendet. Ich entwarf auch einen großen Tisch mit Stühlen, eine Art Bänke, die in rostfreiem Stahl, Messing oder Kupfer (% Zoll dick) ausgeführt werden sollten. Das Ganze wurde nie realisiert, da die Etage, für die sie gedacht waren, sehr offen wirkt - es sind im wesentlichen nur zwei Ebenen, Boden und Decke -, während der Tisch und die Stühle sehr geschlossen sind. Sie hätten den Raum zerstört. Später habe ich für die dritte Etage noch ein paar Bücherregale gebaut.
Ich behielt das Haus, zog aber mit meinen beiden Kindern in den Westen von Texas, wo ich am Stadtrand ein kleines Haus mietete. Es war in vier Räume von je 11 x 11 Fuß aufgeteilt. Möbel gab es nicht, und man konnte auch keine kaufen, keine alten, da sich die Stadt seit ihrer Gründung 1886 weder verkleinert noch sonst verändert hatte, aber auch keine neuen, da die wenigen Geschäfte nur unechte Antiquitäten verkauften oder aber Küchenmöbel aus Stahlrohr mit Plastikflächen, die mit albernen geometrischen Mustern oder Blumen bedruckt waren. Die beiden kleinen Kinder spielten und schliefen in einem der Räume. Um trotzdem jedem einen eigenen Bereich zu schaffen, entwarf ich ein Bett, das aus einer geschlossenen Plattform aus einfachen Brettern bestand, die in der Mitte durch eine ebenfalls aus einfachen Brettern gebaute, freistehende Wand getrennt war. Das Bett war so konzipiert, dass die Schreinerei die wenigen unterschiedlichen Längen zurechtschneiden und ich sie dann an Ort und Stelle zusammennageln konnte. Mir gefiel das Bett sehr gut, eigentlich das ganze Haus, für das ich auch noch andere Möbel gebaut habe. Später habe ich in einem größeren Haus in der Stadt nach der gleichen Konstruktionsmethode Tische und Stühle für die Kinder entworfen. Aus diesen Anfängen entwickelten sich weitere Möbel, die zwar von Celedonio Mediano verbessert wurden, aber immer noch sehr einfach sind. Später interessierte sich dann Jim Cooper in New York für die Herstellung der Holzmöbel, der das sehr subtil und exakt macht.
Ab 1984 ließ ich meine Kunstwerke bei der Lehni AG herstellen. Die Firma produziert Metallmöbel, die praktisch und schön sind, ohne Prätention, die sich sonst bei fast allen Möbeln findet, selbst bei denen, die angeblich ein gutes Design haben. Diese sind weder ein Symbol für die Vergangenheit noch für die Zukunft, sind weder vornehm noch rustikal.
Andreas Christen entwarf sie für Rudolf Lehni, der 1981 starb. Heute besitzt und leitet seine Frau, Doris Lehni Quarella, die Fabrik. Das handwerkliche Niveau ist sehr hoch, was eine Seltenheit ist; industrielle Technik, die keine Garantieerklärungen braucht. Die Tendenz und Kapazität dieser Fabrik, der Metalltisch von früher und die neuen Ideen zu den Holzmöbeln, all das führte bald selbstverständlich zu dem Plan, Metallmöbel zu machen. Dank Alfred Lees und Willi Bühler wurde in weniger als zwei Wochen ein Aluminiumstuhl hergestellt, der später rot einbrennlackiert wurde. Doris Lehni Quarella und ich prüften die Arbeit und beschlossen, weitere Möbel zu machen. Schließlich waren es zehn Modelle, die im Dezember 1984 in der Max Protetch Gallery New York ausgestellt wurden. Hinzu kam noch eines für die Ausstellung in der Annemarie Verna Galerie, Zürich, im Februar 1985. Heute sind es 15 Möbelstücke, die jeweils in 15 verschiedenen Farben erhältlich sind.
Donald Judd
1985 “Donald Judd Möbel Furniture”. Arche Verlag AG